An keine andere Person hat Goethe jemals hĂ€ufiger und â zumindest fĂŒr die Zeit bis zum Ende der ersten italienischen Reise im Juni 1788 â in dichterer Folge geschrieben als an Charlotte von Stein (1742â1826). Insgesamt haben sich mehr als 1770 Briefe Goethes an sie erhalten. Zwar bedient sich Goethe darin keiner kunstvollen Liebessprache und vermeidet jede Art von sprachlicher Exaltiertheit, dennoch gehören sie in ihrer FĂŒlle und Vielgestaltigkeit zu den schönsten Liebesbriefen der Weltliteratur. Sie geben noch immer RĂ€tsel auf, nicht zuletzt weil die Gegenbriefe nicht ĂŒberliefert sind. Der Vortrag widmet sich sowohl den Besonderheiten dieser einzigartigen Korrespondenz wie auch der Frage, weshalb Charlotte von Stein in Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt zu seiner wichtigsten persönlichen Bezugsperson wurde. Der Schwerpunkt wird auf den Zeugnissen aus der Anfangszeit der Bekanntschaft bis zur Schweizer Reise im Herbst und Winter 1779/80 liegen, die gleichsam als Pars pro Toto fĂŒr das gesamte erste Weimarer Jahrzehnt stehen sollen. 2014 sind die Briefe im Rahmen der neuen historisch-kritischen Gesamtausgabe ediert und erstmals umfassend kommentiert worden.