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Faust, das Geld und die Inflation – Goethes PhĂ€nomenologie der Krise

Dienstag, den 16. 10. 2012

theatermuseum hannover, Prinzenstraße 9

Dr. Michael Jaeger (Berlin)

Vor dem Hintergrund des Revolutionsjahres 1830 schließt Goethe am Ende seines Lebens die Arbeit am Faust-Manuskript ab. Man wird die zuletzt entstandenen Passagen der Tragödie als PhĂ€nomenologie der Krise des alten Europas lesen können, die uns die Geburtswehen des modernen Industriezeitalters zeigt. Beginnend mit der Erfindung des Papiergelds – und dessen Inflation – nimmt das Drama den Charakter einer Revue jener Ideen und Unternehmungen der neuen Epoche an, die dem 19. Jahrhundert utopisch erscheinen mussten – und die unterdessen unseren heutigen Alltag prĂ€gen.
Neben der kapitalistischen Ökonomie zĂ€hlen zu dieser Entwicklung die Projekte der industriellen Naturkolonisation, eines technisch-wissenschaftlichen Weltumbaus und zuletzt des Menschen-Machens. In diesen Erscheinungsformen der neuen Zeit wird ein Epochenumbruch sichtbar, der sich Goethe als krisenhaft darstellt und der von ihm in „Faust. Der Tragödie zweitem Teil“ als Krise fĂŒr das Individuum Faust und die Menschheit insgesamt dargestellt wird.
Dr. Michael Jaeger setzt sich mit der AktualitĂ€t der Goethe’schen Interpretation wirtschaftlicher ZusammenhĂ€nge im „Faust II“ auseinander und zeigt, dass sich in der aktuellen Krise der globalen kapitalistischen Ökonomie die Geschichte der Moderne gleichsam schließt und die krisenhaften UrsprĂŒnge wieder sichtbar werden, die Goethe ins Bild gesetzt hat. Kein Wunder, dass uns die Tragödie Fausts gerade heute diesbezĂŒglich so unmittelbar anspricht.