Archiv

"... diese Mischung aus Nietzsche und Storm" - Thomas Manns "Tonio Kröger"

Dienstag, den 08. 03. 2016

Theatermuseum Hannover, Prinzenstraße 12

PROF. DR. HEINRICH DETERING (GÖTTINGEN)

Die Idee zu Tonio Kröger hatte Thomas Mann im Herbst 1899 nach seiner ersten intensiven Storm-Lektüre, und er charakterisiert die Erzählung später als eine »Mischung aus Nietzsche und Storm«. Storm ist das Vorbild für Tonio Krögers fest in der Kaufmannswelt verankerten Vater: »ein langer, sorgfältig gekleideter Herr mit sinnenden blauen Augen, der immer eine Feldblume im Knopfloch trug«. Dieses Vorbild ist für den Sohn die Warnung davor, sich nicht in der Bohème Welt zu verlieren. Tonio Kröger ist ein Künstler mit sehr bürgerlichen Gewissensbissen. Sein Eingeständnis, er gehöre zu den Lesern von Storms Novellen und Gedichten, wird zum Merkmal seines Außenseitertums in einer bürgerlichen Welt.
Schon in frühen Notizen zur Novelle wird die Ergriffenheit durch »Storm’sche Empfindungen« einem bloßen Machen von Kunst gegenübergestellt. Diese Spannung zwischen den eigenen künstlerischen Fähigkeiten und den Ansprüchen an ein Kunstwerk treibt nicht nur Thomas Mann, sondern auch Tonio Kröger um. Und Theodor Storm wird für beide zum geistigen Mentor.