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Mit Goethe in Venedig

08. - 15. 10. 2010

Elke Kantian

Etwa 224 Jahre nach Goethe wird die Goethe-Gesellschaft Hannover nach Venedig Reisen und im Lichte des Heute das Gestern aufspĂŒren. Manches hat die Geschichte ĂŒberdauert und legt ein lebendiges Zeugnis ab von den turbulenten UmbrĂŒchen der traditionsreichen Lagunenstadt. Zur Vorbereitung der Exkursion waren sowohl die „Reise durch Italien im Jahre 1740“ von Johann Caspar Goethe als auch die „Italienische Reise“ des Sohnes Johann Wolfgang anregend; es ist wohl kaum ĂŒberraschend: Der Blick des Sohnes ist ein anderer als der des Vaters! Johann Wolfgang Goethe richtet sein Augenmerk auf die fremde Kultur, die er sich staunend erschließt; denn sie bietet das, was ihm im Norden fehlt: eine durch das gĂŒnstige Klima und den Abstand von den Alltagspflichten sich ausbreitende Sorglosigkeit und die damit verbundene individuelle Freiheit inmitten mediterraner Sinnenfreude.
Die Teilnehmer der Reise werden eine eigene Sicht der Dinge, einen eigenen Blick auf die Stadt bekommen, aber ganz im Sinne Goethes die stille Sehnsucht nach dem UrsprĂŒnglichen nachempfinden, nach der Einheit in der Vielheit.

Und fröhlich sind seine Gedanken jenseits der Alpen nachzufĂŒhlen:
„So stand es denn im Buche des Schicksals auf meinem Blatte geschrieben, dass ich d 28 Sept. Abends, nach unsrer Uhr um fĂŒnfe, Venedig zum erstenmal, aus der Brenta in die Lagune einfahrend, erblicken, und bald darauf diese wunderbare Inselstadt, diese Biber Republick betreten und besuchen sollte. So ist denn auch Gott sey Dank Venedig kein bloses Wort mehr fĂŒr mich, ein Nahme, der mich so offt, der ich von je her ein Todtfeind von WortschĂ€llen gewesen bin, so oft geĂ€ngstigt hat.“
Goethe, „Tagebuch der italienischen Reise 1786“, [28.09.1786]

Poetischer Reisebericht

Almut und Christian Meyer-Plath Venedig, am 14. Oktober 2010
im Ristorante Barababao

Venedig
mit der Goethegesellschaft Hannover
vom 8. bis 15. Oktober 2010
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Wenn die Gondeln Trauer tragen, Thomas Mann umarmt den Tod, Goethen will’s nicht recht behagen, Rilke fĂŒhlt das Abendrot ---
Wagner mußt‘ von hinnen scheiden, Stravinski liegt im kĂŒhlen Grab --- -- man sollte die Lagune meiden, sonst gibt man schnell den Löffel ab
.
Selbst die Masken zeigen Leiden, dĂŒst’re Töne, Depression. Venedig ist nicht zu beneiden, es versinkt, man sieht es schon!
Goethe wußt‘ nichts Gut’s zu sagen einst im FrĂŒhling am Canal; wartend auf Amaliens Wagen ward Venedig ihm zur Qual.
Sechsundachtzig: reine Wonne ! Neunzig: Desillusion ! Damals alles helle Sonne ! Dann nur KĂ€lte --- trĂŒber Ton.
Laßt uns Goethe selber hören, Epigramme, kurz und klar, die den Jubel jĂ€h zerstören, der ihm doch einst Wahrheit war:
(Epigramm Nr.20; 1790:)
Ruhig am Arsenal stehn zwei altgriechische Löwen; Klein wird neben dem Paar Pforte, wie Turm und Kanal, KĂ€me die Mutter der Götter herab, es schmiegten sich beide Vor den Wagen, und sie freute sich ihres Gespanns. Aber nun ruhen sie traurig; der neue geflĂŒgelte Kater, Überall schnurrt er, und ihn nennt Venedig Patron.


Und dann noch dieser Satz; auch von 1790:
Übrigens muß ich im Vertrauen gestehen, daß meiner Liebe fĂŒr Italien durch diese Reise ein tödlicher Stoß versetzt wird. Nicht daß mirs in irgendeinem Sinne ĂŒbel gegangen wĂ€re, wie wollt es auch? Aber die erste BlĂŒte der Neigung und Neugierde ist abgefallen.

(2010): Doch nun nah’n mit krĂ€ft’gen Tritten Wir, mit Elke Kantian, und mit kĂŒhnen Zeitenschritten gucken wir Venedig an.
Seh’n was alt und was lebendig, schau’n die Renaissance uns an. SpĂŒren wohl, was hier elendig, aber auch, was wohl getan!
Kirchen, Klöster, all die BrĂŒcken (und ist doch nur ein kleiner Teil) --- Ja, es ist ganz zum EntzĂŒcken! 
.doch wir zieh’n dahin in Eil.
Gott sei Dank gibt es KanĂ€le, kleine, „grande“, ohne Zahl. Auf dass sich der Fuß nicht quĂ€le fahr’n wir Dampfer, mal um mal. ----------------------
Duino liegt ganz wunderbar, der Schotte fĂŒhrte heiter. (Ach Rilke, deine Elegie 
 Wir hoffen, doch versteh’n sie nie 
) Der Kaiser dann in Miramar, er kam erheblich weiter -----
bis Mexico, da packten ihn die Revoluzzerhorden; es half kein Bruder, keine Queen --- man ließ ihn kĂŒhl ermorden.
Trieste blĂŒht‘ nur kurze Zeit, als es an Wien gehangen. seit italien’scher Einigkeit brach das GeschĂ€ft zusammen

Am Dienstag wurde es perfekt! Wir fuhren zu den Inseln. Palladio als Architekt ließ Veronese pinseln.


Ihm lagen bunte Farben fern, das Weiß nur ließ er gelten. Oval und rund, so baut er gern, sein Ruhm drang in die Welten.
Tintoretto, und Bellini, Tizian und Bozzoli; Veneziano, Piazetta, Canaletto, Angeli; Santacroce, Pellegrini, Sansovino, El Greco; Salviati, Veronese, Strozzi und Tiepolo; Schiavone, Schiamone,, Pordenone, Robbia; Menescardi, Zanchi, Moro, und Corona
.. Wir sind hier nun die Corona --- ach! Habt Erbarmen! Wir sind schwach!
Die Namen in den Köpfen schwirren, Oh! Der GemÀlde Riesenzahl! Wir werden uns noch hÀufig irren, und dem GedÀchtnis droht die Qual!
Ach! Wir lieben euch doch alle! Auch Formosa, dich, du dralle!

Am Mittwoch abend, ohne warten, bracht‘ Elke – man erstaunte ganz – fĂŒr Meister Cherubini Karten, und „La Fenice“ strahlt im Glanz!
So flogen uns’re Tage hin. Venedig war uns ganz Fiesta! Die Reise wird zum Hauptgewinn! Wem fehlte da noch die Siesta?
Elisabeth, sie fĂŒhrte weise, drang auf Erkenntnis strikt und stramm. Venedig? Eine Bildungsreise! (und kein Kegelclub-Programm!)
Himmel! SchĂŒtze uns’re Elke! Dass sie lebt und leben lĂ€sst, und uns ja nicht hier verwelke – mit uns reist nach SĂŒd, nach West.
Denn die Pizza und der Vino, sie sind hier so köstlich gutt ! Cappuccino, Macchiato --- Wen stört da das bisschen Schutt?
Also fassen wir zusammen: Folgen Goethes erster Tour! Lassen uns von ihm entflammen, Hoch Venezias Kultur!

Was fĂŒr einen Tag haben wir heute? den 14. Oktober 2010 ?

Venedig, den 14. Oktober 1786, zwei Stunden in der Nacht.
Ich verlasse Venedig gern: denn um mit VergnĂŒgen und Nutzen zu bleiben, mĂŒĂŸte ich andere Schritte tun, die außer meinem Plan liegen; auch verlĂ€ĂŸt jedermann nun diese Stadt und sucht seine GĂ€rten und Besitzungen auf dem festen Lande. Ich habe indes gut aufgeladen und trage das reiche, sonderbare, einzige Bild mit mir fort.