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„Betrogene Betrüger: Joseph und seine (Groß)-Väter“

Dienstag, den 06. 10. 2015

Theatermuseum Hannover, Prinzenstraße 9

PD DR. DR. THOMAS SPRECHER (ZÃœRICH)

Dieser Vortrag rückt eine bisher kaum beachtete Figur von Thomas Manns Joseph-Roman ins Zentrum: Laban. Joseph ist nicht nur der Sohn Jaakobs, sondern auch der Enkel Labans, Jaakobs Schwiegervater. In beiden zeigt sich: Joseph hat sein Schelmen- und Spekulantentum, seinen Opportunismus nicht gestohlen. Die Labans-Geschichte macht deutlich, dass Joseph nicht nur Jaakobs und Rahels Sohn ist, sondern auch der Enkel Labans. Denn nicht erst Jaakob ist ein Schlitzohr, sondern schon Laban ist es. Jeder betrügt den andern. In der Brautnacht führt Laban seinem Schwiegersohn die falsche Braut zu. Als Opportunist merkt er schnell, dass Jaakob ihm Segen bringt. Deshalb lässt er in einem unausgesprochenen Handel gelten, dass sich Jaakob bereichert, weil dadurch auch er selbst schwerer an Gütern wird.
Dabei soll nicht übersehen werden, dass auch die weibliche Vorfahren Josephs dem Betrug zuneigen. Als Jaakob mit List den Erstgeburtssegen gewinnt, indem er sich als sein älterer Bruder Esau verkleidet, hilft ihm dabei seine Mutter Rebekka. Und als Jaakob vor Laban flieht, stiehlt Rahel, Josephs Mutter, die Hausgötter, versteckt sie vor dem Vater und belügt ihn auch noch. Gleich vier Vorfahren also behelfen sich mit Diebstahl und Betrug. Joseph ist fürwahr nicht aus der Art geschlagen.

Familiär ist dies ja etwas unübersichtlich: Joseph ist der Sohn Rahels, welche die Tochter Labans ist. Also ist Joseph der Enkel Labans. Laban wird gleich zum doppelten Schwiegervater Jaakobs, auch das für unser Verständnis eher kurios.